Weihnachtstraditionen im Erzgebirge: Von Mühlen, Bäckern und dem richtigen Mehl für Stollen

Das Erzgebirge ist bekannt für seine traditionsreichen Advents- und Weihnachtsbräuche. Heute möchten wir Euch einen kleinen Einblick in eine Mühle aus dieser Region und ihr Spezialprodukt, dem Stollenmehl geben. Was das Stollenmehl und einen guten Stollen ausmacht, darüber haben wir mit Wolfgang Rolle, Geschäftsführer der Webermühle, gesprochen.

Seit 1990 ist Wolfgang Rolle Geschäftsführer der Webermühle in Braunsdorf am Fuße des Erzgebirges. Das Traditionsunternehmen wird seit über 100 Jahren und in der vierten Generation von Familie Weber betrieben. Begonnen hat Wolfgang Rolle seine Tätigkeit in Braunsdorf bereits 1981 als Techniker. Er selbst stammt auch aus einer alten erzgebirgischen Müllerfamilie: Die Rolle-Mühle in Waldkirchen – ebenfalls im Zschopautal gelegen – wird heute von Wolfgang Rolles Bruder Thomas in der fünften Generation geführt. Beide Mühlen blicken auf eine bewegte Geschichte zurück. 1972 wurden sowohl die Webermühle als auch die Rolle-Mühle zwangsverstaatlicht. Erst mit der Wende kamen die Unternehmen gänzlich zurück in Familienhand und gleichzeitig in die freie Marktwirtschaft: Welchen Weg sollten sie jetzt einschlagen? Beide setzten auf handwerkliche Qualität und Regionalität. Die Rolle-Mühle eröffnete ihren eigenen Mühlenladen und konzentrierte sich unter anderem auf Bio-Produkte. Die Webermühle hat sich auf die Handwerksbäcker mit all ihren Bedürfnissen und Anforderungen spezialisiert. Über 400 Betriebe in Sachsen werden derzeit mit Produkten aus der Webermühle beliefert. Das Getreide hierfür kommt aus der Region. Gekauft wird bis zu 70 Kilometer rund um die Mühle; die Mahlerzeugnisse werden regional vertrieben.

Eines der Spezialprodukte der Webermühle ist das Stollenmehl. Hierzu Wolfgang Rolle: “Sachsen, aber ganz besonders das Erzgebirge, hat eine reiche Tradition rund um das Weihnachtsfest. Und das Stollenbacken gehört hier fest dazu. Da haben wir ein ganz spezielles Stollenmehl entwickelt, das die Ansprüche der hiesigen Bäcker besonders gut erfüllt.” Was das Stollenmehl ausmacht und warum damit der Stollen besonders gut gelingt, hat uns Wolfgang Rolle genau erklärt: Auch beim Stollenmehl handelt es sich um ein Mehl der Type 405, jedoch kommt hierfür nur sorgfältig ausgesuchtes Getreide in Frage. Damit der schwere Stollenteig gut gelingt, muss das Mehl einen besonders hohen Eiweißanteil haben. Speziell das Klebereiweiß sorgt für die optimale Backeigenschaft. Traditionell wird das Stollenmehl aus Weizen hergestellt, heute wird unter anderem auch Dinkel verwendet. Beide Getreidesorten verfügen über einen vergleichsweise hohen Eiweißanteil. Hinzu kommt die Lagerung: Für das Stollenmehl wird gut abgelagertes Getreide verwendet, in dem das Klebereiweiß etwa ein Jahr Zeit hatte, nachzureifen. Das Stollenmehl wird dann im Juli und August gemahlen, wodurch es bis zur Verarbeitung nochmals zwei Monate lagern und nachreifen kann. Traditionell beginnt die Stollen-Backsaison im September und Oktober, denn der Stollen sollte vor dem Anschnitt noch einmal gute vier Wochen ruhen. Der Bezug von geeignetem, proteinreichen Getreide war zu DDR-Zeiten nicht immer leicht, wie Wolfgang Rolle berichtet, denn der Getreidehandel separierte die Ernten kaum nach unterschiedlichen Qualitätsmerkmalen. Heute können die Mühlen ihr Getreide wieder direkt von den landwirtschaftlichen Betrieben beziehen. Auf die enge Zusammenarbeit legt auch die Webermühle großen Wert und wählt das Getreide, welches für das Stollenmehl in Frage kommt, direkt nach der Ernte aus.

Das Stollenbacken hat im Erzgebirge eine lange Tradition, die von vielen Familien und Bäckern gehegt und gepflegt wird. Ein traditioneller Stollen aus dem Erzgebirge enthält neben dem speziellen Mehl Butter, Orangeat, Zitronat, Rosinen und Mandeln. Das genaue Verhältnis der Zutaten wurde und wird in gut gehüteten Familien-Rezepturen von Generation zu Generation weitergegeben und auch die Bäckereien verfügen über ihre eigenen Rezepturen. Nach dem Backen wird der Stollen traditionell eingebuttert und dick mit Staubzucker bestreut. Zu DDR-Zeiten mussten die Stollen-Zutaten das ganze Jahr über gesammelt werden, denn gerade Orangeat und Zitronat waren häufig Mangelware. Somit waren der Stollen und die Adventszeit dann auch etwas ganz besonderes und man fieberte dem ersten Anschnitt entgegen. Üblich war früher auch die Hausbäckerei: Die Familien brachten ihre Zutaten zum Hausbäcker ihres Vertrauens, der dann das Mehl hinzu gab und den Stollen für sie buk.

Wenn Ihr Stollen gebacken habt – am besten natürlich mit Stollenmehl – solltet Ihr ihn vier Wochen kühl und nicht zu trocken lagern, dann steht dem Genuss nichts mehr im Wege! Übrigens eignet sich Stollenmehl aufgrund seiner speziellen Backeigenschaften auch für andere schwere, sprich fettreiche Teige und Gebäcke, wie Osterbrot oder Pfannkuchen.

Wolfgang Rolle hat uns zum Schluss noch einen Tipp gegeben, den wir Euch nicht vorenthalten wollen: Am besten schmeckt der Stollen nach einem langen Spaziergang im Schnee oder noch besser einer Skiwanderung.

Wir möchten uns ganz herzlich für das informative Gespräch und die hilfreichen Tipps bei Herrn Wolfgang Rolle und der Webermühle bedanken! 

Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir ein besinnliches Weihnachtsfest, schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Anne und Henriette von Mein Mehl