Unbekannte Mühlenschätze: Musmehl

Ob regionale Spezialität, in Vergessenheit geraten oder hierzulande neu: Wir stellen Euch Mehle und Mühlenprodukte vor, die Ihr unbedingt kennenlernen solltet! In unserer Reihe "Unbekannte Mühlenschätze" geht es nach dem Kichererbsenmehl heute weiter mit dem Musmehl, ein fast in Vergessenheit geratenes Mühlenprodukt aus Süddeutschland. Mit ihm lässt sich der ‚Schwarze Brei’, auch ‚Brennt’s Mus’, ‚Habermus’ oder ‚Musbrei’ genannt, zubereiten. Über die Geschichte des Musmehls sowie seine Herstellung und Verwendung haben wir unter anderem mit Erwin Luz von der Luz Mühle in Münsingen gesprochen, in der die Spezialität auch heute noch hergestellt wird.

Was ist Musmehl?

Musmehl wird aus Dinkel, Weizen oder einer Mischung aus beiden, sowie gelegentlich auch aus Hafer hergestellt hergestellt. Das Besondere am Musmehl: Die gereinigten Getreidekörner werden im Backofen gedarrt, sprich angeröstet, wodurch die für das Musmehl typischen Röstaromen entstehen. Nach dem Darren werden die Körner zu einem gröberen Vollkornmehl gemahlen. Die grieß-ähnliche Konsistenz ist vergleichbar mit Polenta. Durch das Darren erhält das Musmehl eine braune Farbe, sein Geschmack variiert je nach Zusammensetzung der Getreidesorten, sowie Dörr- und Mahlgrad. Diese fallen zumeist regional unterschiedlich aus. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Musmehl in Süddeutschland, vor allem auf der schwäbischen Alb, ein weit verbreitetes Lebensmittel und ein wichtiger Bestandteil der Ernährung der ländlichen Bevölkerung. Durch das Erhitzen wurde das Getreide länger haltbar gemacht, was in einer Zeit ohne Gefrierfach und Konservendosen überlebenswichtig sein konnte.

Musmehl und Schwarzer Brei: Vom Hauptnahrungsmittel in die Vergessenheit hin zur Wiederentdeckung

Auf der schwäbischen Alb galt der aus dem Musmehl zubereitete ‘Schwarze Brei’ Jahrhunderte lang als Hauptnahrung der Landbevölkerung. Er war einfach zuzubereiten, nahrhaft und sättigend, was bei der harten körperlichen Arbeit auf der Alb wichtig war. Hierauf verweist wohl auch das Sprichwort “Habermus gibt starken Fuß”. Ob das aus dem Alemannischen stammende ‘Haber’ den Hafer meint, ist nicht gesichert. Der Habermus-Brei wurde meist aus Dinkelschrot zubereitet. Als ‘Haber’ bezeichneten die Alemannen wohl den ‘Lebensgeist’, womit das Habermus als wahrer ‘Lebensspender’ galt.

Bereits im Mittelalter war diese einfache Speise bekannt. Hildegard von Bingen lobte den Getreidebrei aus Dinkel und ihm wurde vielmals nachgesagt, dass er die armen Leute auf der Alb vor dem Verhungern bewahrte. Hier wurde der Brei meist sehr einfach zubereitet, mit Wasser gekocht und herzhaft mit Salz verzehrt. Im wohlhabenderen Oberschwaben wurde das Mus mit Milch gekocht und süß mit Kompott gegessen. Aber auch weiter südlich, Richtung Bodensee und im Alpenraum, waren Musmehl und Musbrei ein wichtiger Bestandteil der Ernährung. So war das haltbare und nahrhafte Lebensmittel ein wichtiger Proviant für Tiroler Hirten, die den Sommer auf abgeschiedenen Almen verbrachten.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts geriet das Musmehl als typisches Arme-Leute-Essen zunehmend in Vergessenheit. Doch als regionales Vollkornprodukt mit seinen ernährungsphysiologischen Vorzügen, wie Ballast- und, Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen und pflanzlichem Eiweiß, passt das Musmehl wieder in die zeitgemäße Küche. Mit der Aufnahme als Passagier in die ‘Arche des Geschmacks’ 2005, hat die Slow-Food-Bewegung das regionaltypische und traditionelle Nahrungsmittel wiederbelebt. Das Musmehl wird auch heute noch von kleineren Mühlenbetrieben in Süddeutschland hergestellt, wie zum Beispiel in der Luz Mühle in Buttenhausen bei Münsingen.

Die Luz Mühle

Die Getreidemühle Luz wurde 1630 erstmals urkundlich erwähnt und verbindet heute traditionelles Handwerk mit modernster Technik. Seit 1928 befindet sie sich – inzwischen in dritter Generation – im Besitz der Familie Luz. Müllermeister Erwin Luz übernahm die Mühle 1989 von seinem Vater. Das Musmehl wurde hier schon immer produziert, denn mit ihrer Lage an der Schwäbischen Alb befindet sich die Luz-Mühle gewissermaßen im Zentrum der ursprünglichen ‘Musmehl-Region’. Für die Herstellung des Musmehls verwendet die Luz-Mühle eine Mischung zu gleichen Teilen aus Weizen und Dinkel. Die Region um die schwäbische Alb war ursprünglich stark vom Dinkelanbau geprägt. Mit dem Aufkommen des Weizens in den 1940er und 50er Jahren fand dieser auch Eingang in die Musmehl-Rezeptur. Er eignet sich besonders für die grießige Struktur des Mehls, die mit einem höheren Dinkelanteil viel mehliger ausfallen würde. Mit der Aufnahme in die Arche des Geschmacks und der allgemeinen Renaissance des Dinkels, so berichtet Erwin Luz, ist auch die Nachfrage nach Musmehl stark gestiegen. Viele Menschen besinnen sich zurück auf einfache, vollwertige Gerichte und entdecken Produkte und Spezialitäten aus ihrer Region wieder. Aber auch in der Gastronomie lässt sich eine erhöhte Nachfrage nach regionalen Besonderheiten feststellen.

Wie kann man Musmehl heute verwenden?

Das aromatische und nahrhafte Vollkornprodukt kann auch in der modernen Küche vielfältig eingesetzt werden: Vom Frühstück, über herzhafte Speisen bis hin zum Nachtisch oder Kuchen. Das Musmehl, dessen Konsistenz mit Polenta vergleichbar ist, kann auch ähnlich zubereitet werden. Herzhaft mit Brühe angerührt und mit geriebenem Käse, Zwiebeln, Speck oder Kräutern verfeinert, lässt es sich als Beilage anrichten. Als klassischer Frühstücksbrei mit Wasser oder Milch aufgekocht und Obst, Saaten und Nüssen garniert, sorgt das Musmehl für einen gesunden, nährstoffreichen Start in den Tag. Probiert unser Rezept für einen vitalen Musbrei! Mit Zimtzucker und Obstkompott wird aus dem Getreidebrei ein leckerer Nachtisch. Auch beim Kuchenbacken kann man das Mehl in einem Mürbeteig verwenden, das durch seine Röstaromen für einen nussigen Geschmack sorgt. Hier sollte man aber darauf achten, immer einen Teil backstarkes Weizenmehl, am besten Type 405 oder Type 550 zu verwenden. Denn das Musmehl verfügt über weniger Klebereiweiß und hat somit eine schwächere Backeigenschaft. Weitere Rezepte für einen klassischen Schwarzen Brei und Kuchen aus Musmehl findet Ihr auf der Website der Luz Mühle. Musmehl kann auch beim Brotbacken einen Teil des Mehls im Quellstück ersetzten.

Wo bekomme ich Musmehl?

Die schlechte Nachricht zuerst: Musmehl ist es leider nicht bundesweit im Einzelhandel erhältlich. Aber: Viele Getreidemühlen und Mühlenläden verschicken ihre Produkte auch per Post! Wir haben für Euch einen Überblick erstellt, mit Mühlen und Mühlenläden, die Musmehl herstellen oder verkaufen. Nicht alle haben einen Online-Shop, nehmt einfach per E-mail oder Telefon Kontakt auf und erkundigt Euch über die Möglichkeit des Versands!

Getreidemühle Luz
http://luzmuehle.de/
Mühlsteige 12
72525 Münsingen-Buttenhausen
Telefon: 07383 / 1261
Telefax: 07383 / 1063
E-Mail: info(at)luzmuehle.de

Getreidemühle Oberjesingen
http://www.getreidemuehle-oberjesingen.de/cms/index.php
Enzstr. 29
71083 Herrenberg / Oberjesingen
Telefon: 07032 / 31414
Telefax: 07032 / 31423
E-Mail: info(at)getreidemuehle-oberjesingen.de

Stelzenmühle
Stelzenmühle 1
88410 Bad Wurzach-Eggmannsried
Telefon: 07564 / 2380
E-Mail: stelzenmuehle(at)t-online.de

Altdorfer Mühle
http://www.altdorfer-muehle.com/
Altdorfer Mühle 1-3
71155 Altdorf
Telefon: 07031/74244-0
Telefax: 07031/74244-19
E-Mail: info(at)altdorfer-muehle.com

Albrecht Karge Mühle - Mühlenladen Langenargen
http://muehlenladen-langenargen.de/
Bahnhofstraße 15
88085 Langenargen
Telefon: 07543 / 9346644
E-Mail: kontakt(at)muehlenladen-langenargen.de

Anne und Henriette von Mein Mehl