Die Wiederentdeckung der Regionalität in der Krise: Eine Betrachtung

 

Die Coronakrise verändert(e) unser Essverhalten. Das ergab nicht nur der Ernährungsbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), sondern auch eine Studie an der Universität Göttingen. Weitere Studien dazu laufen etwa an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.

Leuchtend prangen dabei zwei Schlagworte hervor: regional und saisonal. Sie sind zwar nicht erst seit Corona en vogue, vermitteln aber gerade jetzt in einer Zeit, in der sich viele Gewissheiten verflüchtigen, die ersehnte Stabilität.

Und wen wundert es? Hat doch die Krise etwas ausgelöst, was das übersättigte Wohlstandsbürgertum in Deutschland so schon lange nicht mehr kannte: Angst. Angst vor Hunger, vor Versorgungsengpässen.

Plötzlich blieben Regale leer.

Spätestens dann dürfte es also selbst den urbanen Ernährungseliten, den Trendsettern und Lifestylegurus gedämmert haben, das Schi-Schi-Samen aus Südamerika auch trotz Superkräften nicht satt machen werden. Insbesondere dann nicht, wenn globale Lieferketten plötzlich nicht mehr wie gehabt funktionieren sollten.

Was also tun angesichts der gefühlten Angst vor drohendem Hunger und ausbleibender Versorgung? Rückbesinnung auf Altbewährtes: Plötzlich waren Grundnahrungsmittel wie Mehl, Nudeln, Haferflocken besonders gefragt – Scheiß auf glutenfrei, Low-Carb- oder Paleo-Gedöns.

Mehl, Nudeln und Haferflocken boten Stabilität. Nicht nur rein physiologisch für Sättigung und Blutzuckerspiegel. Auch psychisch und emotional. Butterbrot, Nudeln und Kuchen – Nervennahrung, Antistressmittel, Glückshormonbooster.

Und nach der Wiederentdeckung, was sich alles mit ihnen zuhause anfangen lässt, konnten selbst Kinder wieder sinnvoll beschäftigt werden. Flux wird gebacken, gekocht, eingeweicht, gerührt und geschüttelt und schon sättigen Brot und Haferbrei, Spätzle, (Eier)Kuchen, Overnight-Oats, Grießbrei –  und Nudelgerichte sowieso. Für die Hardcore-Traditionalisten auch Mehlsuppe.

Im Ernst: In Deutschland und Europa ist eine sehr regionale Versorgung mit Getreide möglich. Der in der deutschen Müllerei verarbeitetet Weizen, Dinkel und Roggen kommt fast ausnahmslos von hier, oft sogar direkt aus der unmittelbaren Region. Hafer und Hartweizen – sofern nicht von hier – kommen meist aus der EU.

Das Gesagte ist ausdrücklich kein Plädoyer für die gerade aufkeimenden Forderungen nach mehr „Ernährungsnationalismus“  – auch regionale Wertschöpfungsketten sind mitunter nicht krisensicherer als globale. Aber ab und an mal darüber nachzudenken, welche heimischen Lebensmittel ohne weite Transportwege unsere Teller füllen können, lohnt sich bestimmt. Dafür dankbar zu sein, dass regionale Wertschöpfungsketten – Landwirt, Müller, Bäcker – so gut funktionieren, ebenso.

Begreifen, wie wichtig sie und ihre Arbeit sind – auch wenn die Regale längst wieder voll sind – unverzichtbar. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass es uns so gut geht.

Anne von Mein Mehl